Theoriebildung - Koeffizientenmatrix
Zur Orientierung
Wir werfen hier einen anderen Blick auf lineare Gleichungssysteme und ihre Lösungen. Wir verwenden hierzu das Matrixkonzept.
Ein LGS mit einer Matrix beschreiben
Betrachte das folgende LGS:
$\begin{array}{lrcrcrcr} [1] &\quad x_1 & - & x_2 & + & 2x_3 & = & 3 \\ [2] &\quad -0.5x_1 & + & 0.5x_2 & - & x_3 & = & -1.5 \\ [3] &\quad 1.5x_1 & - & 1.5x_2 & + & 3x_3 & = & 4.5 \end{array}$
Aufgabe 1
(a) Das LGS lässt sich mit einer Koeffizientenmatrix $A$ und einem Rechte-Seite-Vektor $\vec{b}$ darstellen. Ergänze die fehlenden Einträge und erläutere den Zusammenhang zwischen der Gleichungsdarstellung und der entsprechenden Matrixdarstellung.
$ \underbrace{\begin{pmatrix} 1 & -1 & 2 \\ \dots & \dots & \dots \\ \dots & \dots & \dots \end{pmatrix}}_{A} \cdot \underbrace{\begin{pmatrix} x_1 \\ x_2 \\ x_3 \end{pmatrix}}_{\vec{x}} = \underbrace{\begin{pmatrix} \dots \\ \dots \\ \dots \end{pmatrix}}_{\vec{b}} $
(b) Zeige mit Hilfe des Matrix-Vektor-Produkts, dass $(x_1; x_2; x_3) = (4; 1; 0)$ und $(x_1; x_2; x_3) = (1; 0; 1)$ Lösungen des oben vorgegebenen LGS sind. Zeige entsprechend, dass $(x_1; x_2; x_3) = (3; 1; 1)$ keine Lösung des vorgegebenen LGS ist.
(c) Erläutere mit Hilfe der Berechnungen aus (b):
Ein Zahlentupel $(x_1; x_2; x_3)$ ist eine Lösung des betrachteten LGS genau dann, wenn der Rechte-Seite-Vektor $\vec{b}$ dem Produkt $A \cdot \vec{x}$ aus der Koeffizientenmatrix $A$ und dem Zahlentupel (als Spaltenvektor $\vec{x}$ dargestellt) entspricht.
Mit Lösungen rechnen - der homogene Fall
Wir betrachten zunächst den Spezialfall, dass der Rechte-Seite-Vektor der Nullvektor ist.
$ \underbrace{\begin{pmatrix} 1 & -1 & 2 \\ -0.5 & 0.5 & -1 \\ 1.5 & -1.5 & 3 \end{pmatrix}}_{A} \cdot \underbrace{\begin{pmatrix} x_1 \\ x_2 \\ x_3 \end{pmatrix}}_{\vec{x}} = \underbrace{\begin{pmatrix} 0 \\ 0 \\ 0 \end{pmatrix}}_{\vec{b}} $
Ein LGS mit dem Nullvektor als Rechte-Seite-Vektor wird auch homogenes LGS genannt.
Aufgabe 2
(a) Zeige zunächst, dass $\vec{u} = \begin{pmatrix} 1 \\ 1 \\ 0 \end{pmatrix}$ und $\vec{v} = \begin{pmatrix} -2 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix}$ Lösungsvektoren des homogenen LGS sind.
(b) Welche der folgenden Vektoren sind ebenfalls Lösungsvektoren des homogenen LGS?
- $\vec{u} + \vec{v}$
- $\vec{u} - \vec{v}$
- $2\vec{u}$
- $-\vec{v}$
- $3\vec{u} - 2\vec{v}$
- $0 \cdot \vec{v}$
(c) Nutze Rechenregeln für das Matrix-Vektor-Produkt, um folgenden Satz über Lösungen eines homogenen LGS zu zeigen.
Wiederholung - Wissen über das Matrix-Vektor-Produkt
Für das Matrix-Vektor-Produkt gelten die folgenden Rechenregeln:
$A \cdot (\vec{u} + \vec{v}) = A \cdot \vec{u} + A \cdot \vec{v}$
$A \cdot (r \cdot \vec{u}) = r \cdot A \cdot \vec{u} $
Lösungen eines homogenen LGS
Betrachte ein homogenes LGS mit der Matrixdarstellung $A \cdot \vec{x} = \vec{0}$. Dann gilt:
- Der Nullvektor $\vec{0}$ ist ein Lösungsvektor des LGS.
- Ist $\vec{u}$ ein Lösungsvektor des LGS, so ist auch jedes Vielfache $r \cdot \vec{u}$ (mit einer reellen Zahl $r$) ein Lösungsvektor des LGS.
- Sind $\vec{u}$ und $\vec{v}$ Lösungsvektoren des LGS, so ist auch die Summe $\vec{u} + \vec{v}$ und die Differenz $\vec{u} - \vec{v}$ ein Lösungsvektor des LGS.
- Sind $\vec{u}$ und $\vec{v}$ Lösungsvektoren des LGS, so ist auch jede Linearkombination $r\vec{u} + s\vec{v}$ (mit reellen Zahlen $r$ und $s$) ein Lösungsvektor des LGS.
Der Satz zeigt, dass man – zumindest bei einem homogenen LGS – aus Lösungen rechnerisch neue Lösungen erzeugen kann. Es stellt sich die Frage, ob das auch bei einem LGS zutrifft, das nicht homogen ist.
Mit Lösungen rechnen - der inhomogene Fall
Wir betrachten wieder das eingangs vorgegebene LGS in der Matrixdarstellung.
$ \underbrace{\begin{pmatrix} 1 & -1 & 2 \\ -0.5 & 0.5 & -1 \\ 1.5 & -1.5 & 3 \end{pmatrix}}_{A} \cdot \underbrace{\begin{pmatrix} x_1 \\ x_2 \\ x_3 \end{pmatrix}}_{\vec{x}} = \underbrace{\begin{pmatrix} 3 \\ -1.5 \\ 4.5 \end{pmatrix}}_{\vec{b}} $
Ein LGS, bei dem der Rechte-Seite-Vektor kein Nullvektor ist, wird auch inhomogenes LGS genannt.
Aufgabe 3
In Aufgabe 1 wurde gezeigt, dass $\vec{u} = \begin{pmatrix} 4 \\ 1 \\ 0 \end{pmatrix}$ und $\vec{v} = \begin{pmatrix} 1 \\ 0 \\ 1 \end{pmatrix}$ Lösungsvektoren des inhomogenen LGS sind.
(a) Sind die folgenden Vektoren ebenfalls Lösungsvektoren des inhomogenen LGS?
- $\vec{u} + \vec{v}$
- $\vec{u} - \vec{v}$
- $2\vec{u}$
- $-\vec{v}$
- $0 \cdot \vec{v}$
(b) Zeige mit Hilfe des Matrix-Vektor-Produkts, dass die Lösungen eines inhomogenen LGS folgende Eigenschaften haben.
Lösungen eines inhomogenen LGS
Betrachte ein inhomogenes LGS mit der Matrixdarstellung $A \cdot \vec{x} = \vec{b}$. Dann gilt:
- Sind $\vec{u}$ und $\vec{v}$ Lösungsvektoren des inhomogenen LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{b}$, so ist die Differenz $\vec{u} - \vec{v}$ ein Lösungsvektor des zugehörigen homogenen LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{0}$.
- Ist $\vec{u}$ ein Lösungsvektor des inhomogenen LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{b}$ und ist $\vec{v}$ ein Lösungsvektor des zugehörigen homogenen LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{0}$, so ist die Summe $\vec{u} + \vec{v}$ ein Lösungsvektor des inhomogenen LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{b}$.
Die Ergebnisse zusammenfassen
Aufgabe 4
Benutze die erzielten Ergebnisse, um folgende Aussagen zu begründen.
- Ein homogenes LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{0}$ hat immer mindestens einen Lösungsvektor – nämlich den Nullvektor. Wenn ein homogenenes LGS einen Lösungsvektor hat, der kein Nullvektor ist, dann hat das homogene LGS unendlich viele Lösungsvektoren.
- Wenn ein inhomogenes LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{b}$ einen Lösungsvektor $\vec{u}$ hat, dann erhält man alle Lösungsvektoren des inhomogenes LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{b}$, indem man zum Lösungsvektor $\vec{u}$ die Lösungsvektoren des zugehörigen homogenen LGS $A \cdot \vec{x} = \vec{0}$ hinzuaddiert.